Impulsvortrag von Nadine Trautmann bei der dritten Auflage von "LIST auf den Punkt." am 18. Juni 2024 in Köln.
Quelle: a|w|sobott, André Sobott

Nadine Trautmann: Alles eine Frage des Szenarios. Impulsvortrag bei „LIST auf den Punkt.“

Ohne Glaskugel wird’s nicht gehen. Die Entwicklung des CO₂-Preises und der klimatischen Bedingungen ist noch immer eine Welt von Szenarien, Hochrechnungen, Annahmen und Zielen. Laut Nadine Trautmann, Senior Risikocontrollerin bei Deka Immobilien Investment, wird das auch immer so bleiben. „Die Rentabilität von Immobilien hat mit dem CO₂-Preis eine neue Variable bekommen“, erklärte Trautmann in der dritten Auflage von „LIST auf den Punkt.“ zum Thema „CO₂ als neue Währung.“

Die Herausforderung

Sicher ist nur die Unsicherheit. Klar ist für Trautmann aber: „Wenn wir die Transformation nicht schaffen, wird es richtig heiß.“ Im wörtlichen Sinne aufgrund der Erderwärmung, aber auch im übertragenen – und damit in der Immobilienwirtschaft. 

Die Aufgabe

Niemand weiß mit Gewissheit, welchen Weg wir gehen müssen. Wir können uns also nur bestmöglich darauf vorbereiten. „Dazu müssen wir in Szenarien denken“, erklärte Trautmann. Es gehe darum, die möglichen Verläufe statt der Zukunft selbst zu kennen. Unmittelbar damit verknüpft sei dann das Niveau des CO2-Preises. Gar nicht so einfach, besonders wenn für einen Überblick bei „LIST auf den Punkt.“ nur 15 Minuten zur Verfügung stehen. „Das ist straff“, scherzte Trautmann. 

Vor dem Szenario stehe erst einmal das Risiko – und dessen Bewertung. „Das machen wir für jede einzelne unserer Immobilien. Wir müssen jederzeit wissen, wie groß das Risiko für sie ist.“ Die steigende Zahl an Richtlinien und der Einfluss der Regulatorik fordere eine tiefere Auseinandersetzung. Mit dem CO2-Preis sei das alles greifbarer und besser kalkulierbar. „Wir bepreisen alle Nachhaltigkeitsrisiken. Nur mit einem Preis haben wir auch eine gute Argumentation, wie hoch welches Risiko ist“, gab Trautmann Einblicke. 

Gesetze indizieren die transitorischen Risiken 

Risiko sei aber nicht gleich Risiko und die Unterscheidung wichtig. Zum Beispiel in physische und transitorische Risiken. Zu den physischen Risiken zähle laut Trautmann die geographisch-meteorologische Einschätzung von Klimaereignissen, die am Standort auf die zu bewertende Immobilie einwirken. Kombiniert mit anfallenden Kosten für eine mögliche Instandsetzung lasse sich so ein physisches Risiko für jede Immobilie berechnen.  

Blieben laut Trautmann noch die transitorischen Risiken. Diese seien vor allem durch Gesetze und Regelungen indiziert und ließen sich unmittelbar mit dem CO2-Preis messbar machen. Richtwert in der Risikobewertung sei der errechnete CRREM-Pfad – der „Diätplan“ – einer Immobilie. Im Zentrum stehe die Frage: „Was kann getan werden, um die Emissionen des Gebäudes zu reduzieren?“ Die Umsetzung von baulichen Maßnahmen und die Nutzung von Ökostrom im Betrieb sind die entscheidenden Bausteine zur Emissionsreduktion. Dann bleibt aber zuweilen eine Lücke zum CRREM-Pfad übrig, das „Carbon Delta“. Diese könne unmittelbar mit dem CO2-Preis bepreist werden. 

Aber wo wird dieser liegen? Alles eine Frage der Szenarien und wie sich das Klima verändern wird. In vier dieser Representative Concentration Pathways (RCP) gewährte Nadine Trautmann spannende Einblicke: 

Negativszenario „Hot House“ (RCP 8.5) 

Die CO2-Emissionen werden nicht signifikant reduziert, es gibt keinen Preis für CO2. Das 1,5-Grad-Ziel wird in der Folge deutlich verfehlt, die Erderwärmung steigt bis zum Jahr 2100 um mehr als 4°C gegenüber dem vorindustriellen Niveau. Der bisherige und neue Emissionshandel wird allerdings seinen Teil dazu beitragen, dieses Szenario abzuwenden. 

Positivszenario „Net Zero“ (RCP 2.6) 

Unter anderem ein hoher CO2-Preis trägt dazu bei, dass ausgestoßene Emissionen drastisch reduziert werden. Die Erderwärmung steigt um weniger als 2°C im Vergleich zum vorindustriellen Niveau. Durch den Investitionsanreiz werden hohe physische Risiken verhindert. Realistisch ist dieses Szenario aber nicht, da die Länder individuelle Strategien verfolgen. 

Ungeordnet (RCP 4.5) 

Es wird davon ausgegangen, dass klimapolitische Maßnahmen nicht vor 2030 eingeführt werden. Die lange Übergangsphase führt dazu, dass die Erderwärmung im Bereich zwischen 2°C und 3°C gegenüber vorindustriellem Niveau liegen wird. „Das ist aktuell wohl das realistischste Szenario“, schätzte Trautmann. 

Fragmentierte Welt (RCP 4.5) 

Einzelne Länder entscheiden sich teilweise gegen Klimaschutz, andere treiben ihn voran. In der Folge haben manche Länder hohe Kosten, andere keine. Auch hier wird von einer Erderwärmung von 2°C und 3°C bis zum Jahr 2100 ausgegangen.

Nadine Trautmanns Schluss: „Wir müssen transformieren und das Thema ernst nehmen.“ Sollte sowohl das „Net Zero“ als auch das ungeordnete Szenario verfehlt werden, könnte der volkswirtschaftliche Schaden – ausgelöst vom massiv erhöhten physischen Risiko – global jährlich eine Höhe von bis zu 14 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erreichen.  

Der Satz

„Wenn wir es nicht schaffen, den CO2-Fußbadruck zu reduzieren, dann haben wir ein Renditethema. Wir müssen investieren, um zu verhindern, dass wir ein sehr heißes Umfeld bekommen.“ Das Verständnis und Bewusstsein dafür sei bereits in der Immobilienwirtschaft angekommen. „Mieter fragen gezielt nachESG-konformen Immobilien und es gibt Schwierigkeiten, Käufer für Assets zu finden, die nicht konform sind.“

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